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Arbeiten in der Pension: Was motiviert Menschen dazu?

A. Giehrl

Der Übertritt in die Alterspension stellt den Beginn eines neuen Lebensabschnitts dar, geprägt von verdienter Freizeit, Entspannung und einem verstärkten Nachgehen persönlicher Interessen. Heutzutage entscheiden sich jedoch immer mehr Menschen aktiv und bewusst dazu, auch nach Erreichen des Pensionsalters beruflich aktiv zu bleiben. Diese Tatsache wirft die zentrale Frage auf, welche Faktoren Menschen dazu motivieren, über die Pension hinaus zu arbeiten. Beleuchten wir dies einmal auf individueller und auf organisationaler Ebene.

Individuelle Ebene

Es lassen sich laut Schalk & Desmette (2015) auf individueller Ebene vier wesentliche Motive für die Fortsetzung der Arbeit hervorheben: finanzielle, soziale, persönliche und generative Motive. Während das finanzielle Motiv die monetäre Belohnung und die wirtschaftliche Stabilität meint, wird unter dem sozialen Motiv der Wert der Interaktion mit anderen und die Erlangung positiver Wertschätzung durch andere verstanden. Ein weiterer identifizierter Grund ist von persönlicher Natur. Demnach ermöglicht die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit dem Individuum, intrinsische Belohnungen zu erlangen und persönliche Ziele, wie z.B. berufliche Weiterentwicklung oder die Verwirklichung eigener Ideen, zu verfolgen. Die generative Motivation beinhaltet das Bedürfnis, angeeignetes Wissen und Erfahrungen an folgende Generationen weiterzugeben, um somit einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Gesellschaft zu leisten. Als häufigste Gründe für eine Weiterbeschäftigung von älteren Arbeitnehmer*innen werden dabei finanzielle und persönliche Motive angeführt.1

Die Vielfalt der Beweggründe zeigt, dass Arbeit im Alter nicht nur als finanzielle Notwendigkeit, sondern vor allem als Quelle persönlicher Erfüllung betrachtet wird.


Organisationale Ebene

Es zeigt sich, dass maßgeschneiderte Praktiken im Personalmanagement, die das Alter der Arbeitnehmer*innen miteinbeziehen, positive Auswirkungen auf eine Weiterbeschäftigung über das Pensionsalter hinaus nehmen. Belohnungen wie eine erhöhte Anerkennung und flexible Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte tragen dazu bei. Organisationen mit altersbezogener Durchlässigkeit, in denen ältere Arbeitnehmerinnen unabhängig von ihrem Alter Wertschätzung erfahren, fördern positive zwischenmenschliche Beziehungen über Generationen hinweg, was unter anderem ein höheres Arbeitsengagement zur Folge hat. Umgekehrt können eine zu starke Identifikation als „alte/r Arbeitnehmer/in“ und vorherrschende Altersstereotype in Organisationen die Lernbereitschaft und berufliche Weiterentwicklung negativ beeinflussen.1

Implikationen

Die Entscheidung im Pensionsalter zu arbeiten, wird von einer Vielzahl an Motiven getrieben. Wenn das Privat- und Berufsleben des Einzelnen die Arbeit möglich machen und die Arbeit einem zudem Freude bereitet, tendieren ältere Arbeitnehmer*innen in der Regel dazu, im Beruf zu bleiben. Um dies auf organisationaler Ebene zu ermöglichen und von dieser Motivation beidseitig zu profitieren, wird die Etablierung einer folgenden Arbeitskultur empfohlen:

  1. Zunächst ist es von entscheidender Bedeutung, auf die Bedürfnisse, die von Individuum zu Individuum sehr unterschiedlich ausfallen können, gezielt einzugehen und diese bei der Entwicklung von Maßnahmen und Praktiken zur Förderung der Beziehung zwischen Arbeitnehmer*innen und Organisation zu berücksichtigen. Eine diverse Perspektive, die jeder Altersgruppe gerecht wird und bereits lange vor dem Pensionsalter gelebt wird, wird in Folge Altersdiskriminierung reduzieren.
  2. Es ist wichtig, ein altersfreundliches Umfeld zu schaffen, in dem lebenslanges Lernen und berufliche Entwicklung als wichtige Werte gefördert und authentisch gelebt werden.
  3. Des Weiteren sollten Arbeitnehmer*innen die grundsätzliche Möglichkeit für unbefristete oder befristete Beschäftigungen in Partnerorganisationen über das gesetzliche Pensionsantrittsalter hinaus erhalten. Hierfür können neue Arbeitsverträge ausgehandelt werden, um einen stärkeren Fokus auf ansprechendere Aufgaben oder individuell bevorzugte Arbeitsinhalte zu legen.
  4. Diese vertraglichen Vereinbarungen schaffen zwei weitere wichtige Bedingungen: Sicherheit und gleichzeitig Flexibilität. Sicherheit durch die vertragliche Vereinbarung selbst und Flexibilität durch entsprechend gestaltete Inhalte.1


Vorteile für die Organisationen2

  • Das wertvolle Wissen älterer Arbeitnehmer*innen geht durch den persönlichen Wissenstransfer nicht verloren, sondern bleibt der Organisation verfügbar; Dies stellt wiederum eine Kontinuität und die Qualität der Arbeit sicher.
  • Ältere Arbeitnehmer*innen bringen oft jahrzehntelange Erfahrung zu kulturellen Gepflogenheiten, methodischen Ansätzen und spezifisches Fachwissen mit, das sich nicht leicht ersetzen lässt. Ihre Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen und fundierte Entscheidungen zu treffen, kann von unschätzbarem Wert sein.
  • Die Weiterbeschäftigung engagierte älterer Arbeitnehmer*innen in einer entsprechend offenen Unternehmenskultur kann die Unternehmensreputation und die Arbeitgeberloyalität steigern und schließlich dazu beitragen, dass das Unternehmen sowohl nach innen als auch nach außen langfristig erfolgreich und resilient bleibt.

Wenn Organisationen oben genannte Rahmenbedingungen anbieten und ein Arbeitsklima leben, das auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche älterer Arbeitnehmer*innen Rücksicht nimmt, sind die Voraussetzungen für optimale Synergieeffekte für beide Seiten geschaffen.


Dieser Text wurde in gekürzter Version im Februar 2024 gemeinsam mit Christian Seubert, PhD und in Kooperation mit
Innos GmbH (https://www.innos.at) in der Zeitung Osttiroler Bote (www.osttirolerbote.at) veröffentlicht.

Quellen:
1Schalk, R., & Desmette, D. (2015). Intentions to continue working and its predictors. In P. M. Bal, D. Kooij & D. M. Rousseau (Hrsg.), Aging workers and the employee-employer relationship (S. 187-202). Springer.  

2Kroeger, J. (2010). Organizational Benefits of Retaining Older Workers. Master thesis, University of Wisconsin-Stout. Verfügbar unter https://citeseerx.ist.psu.edu/document?repid=rep1&typ=pdf&doi=fae957f076e439b9ef8a9f8b6791660bee54dae1

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