Der folgende Blogpost beleuchtet den Begriff Emotionsregulation. Wir stellen unterschiedliche Emotionsregulationsstrategien und deren Wirkung auf die psychische Gesundheit vor.
Autorinnen: V. Nickel / C. Strecker
Emotionen sind fester Bestandteil des Alltags. Am Arbeitsplatz wird erwartet, dass Menschen ihre Emotionen angemessen zeigen und in bestimmten Situationen auch beherrschen können. Besonders in Berufen in denen Kontakt zu anderen Menschen zentral ist, müssen Arbeitskräfte hohe emotionale Anforderungen bewältigen1.
Was sind Emotionen eigentlich genau?
Laut der bereits im 19. Jahrhundert entwickelten Theorie des amerikanischen Psychologen William James ist eine Emotion eine Reaktionstendenz einer Person, wenn diese eine Situation als relevant für die eigenen Ziele bewertet2. Heute wissen wir, dass Emotionen sehr viele unserer Handlungen begleiten und als wichtige Signal-, Energie- und Motivationsgeber zu verstehen sind. Sie spiegeln sich in körperlichen erlebbaren Veränderungen wie das Ansteigen des Herzschlags bei Angst oder einer positiven Mimik bei Freude3 und in Handlungsimpulsen (z.B. Nähe oder Distanz) wider. Wichtig ist, dass die Reaktionstendenzen beeinflusst und verändert werden können, bis sie zur endgültigen emotionalen Reaktion werden4.
Emotionen sind unmittelbar auftretende, intensive Gefühlszustände, die durch einen klaren Auslöser entstehen – wie etwa eine kurze, heftige Ärgerreaktion. Im Gegensatz dazu sind Gefühle und Stimmungen weniger intensiv, wobei insbesondere Stimmungen länger anhalten und nicht immer auf eine eindeutige Ursache zurückzuführen sind. 5
Der Umgang mit den eigenen emotionalen Reaktionen sowie denen der Mitmenschen, ist entscheidend für ein erfolgreiches Miteinander – auch über den Arbeitskontext hinaus6. Dies lernen wir in unserer Kindheit. Emotionsregulation ermöglicht es, die eigenen Emotionen zu beeinflussen, um angemessen auf Umweltanforderungen zu reagieren7. Menschen setzen verschiedene Regulationsstrategien ein, um das Ausmaß und die Art ihrer emotionalen Erfahrung oder des emotionsauslösenden Ereignisses zu verändern. Dies umfasst bewusste und unbewusste Prozesse, in denen eine Person beeinflusst, welche Emotionen sie hat, wann diese auftreten und wie sie erlebt sowie ausgedrückt werden. Die Art der Emotionsregulation ist von Person zu Person unterschiedlich. Sie ist abhängig von Kontext, Situation und Ziel (Gross, 1998) und unterscheidet sich in drei Phasen: Soll die Emotion überhaupt reguliert werden? Wenn ja, mit welcher Strategie? Und wie genau setze ich dies um? Dieser Prozess erfordert zuvor die (automatische) Wahrnehmung der Emotion, deren individuelle Bewertung und die anschließende Zielsetzung (z.B. Emotion soll reguliert oder nicht reguliert werden).
Was sind die Folgen von Emotionsregulation?
Eine erfolgreiche Emotionsregulation wirkt sich positiv auf die Gesundheit, Beziehungen sowie akademische und berufliche Leistungen aus8. Können Personen ihre emotionalen Reaktionen auf alltägliche Ereignisse nicht wirksam steuern, erleben diese längere und schwerere Phasen der Belastung. Daraus können sich eine Vielzahl von Langzeitfolgen wie beispielsweise diagnostizierbare Depressionen, Angstzustände oder Burnout entwickeln. Die Fähigkeit zur erfolgreichen Emotionsregulation kann systematisch gestärkt werden und wird daher in verschiedenen psychotherapeutischen Therapieansätzen adressiert7.
Konkrete Strategien der Emotionsregulation
Studien zeigen, dass die Strategien Akzeptanz, Problemlösung und Neubewertung in verschiedenen Kontexten adaptiv und funktional (d.h. langfristig empfehlenswert) sind und positiv mit psychischen Gesundheitsfaktoren einhergehen7.
In der Neubewertung werden wohlwollende oder positive Interpretationen und Perspektiven für eine stressige Situation entwickelt (z.B. Ich versuche bewusst die positiven Seiten der Situation zu erkennen.), um den Stress zu verringern4.
Problemlösung beschreibt die bewussten Versuche, eine belastende Situation ursachen- und lösungsorientiert zu verändern oder ihre Folgen einzudämmen (z.B. Bei Problemen überlege ich mir verschiedene Lösungswege, wäge sie gut ab und entscheide.). Obwohl Problemlösung nicht direkt Emotionen zu regulieren versucht, kann sich diese Strategie positiv auf Emotionen auswirken, indem die Ursachen modifiziert oder beseitigt werden und ein Gefühl von Selbstwirksamkeit entsteht.
Akzeptanz beinhaltet die nicht wertende Annahme von Emotionen, z.B. Ich bin gut in der Lage Dinge oder unangenehme Gefühle so zu akzeptieren, wie sie eben gerade sind.7 Die Strategie der Akzeptanz steht dabei in Zusammenhang mit Achtsamkeit als Haltung und Emotionsregulationsstrategie, welche seit Anfang des 21. Jh. vermehrt untersucht wurde und ebenfalls positive Effekte die auf psychische und physische Gesundheit zeigen konnte.
Die Strategien wie z.B. Unterdrückung, Vermeidung von Emotionen und Grübeln werden – wenn häufig angewendet – als maladaptive Reaktionen und als Risikofaktoren für Angst- / Essstörungen, Depression und Subtanzmissbrauch angesehen7.
Die Unterdrückung des emotionalen Ausdrucks (z.B. Auch wenn ich sehr verärgert oder traurig bin, versuche ich mir nichts anmerken zu lassen.) kann zwar kurzfristig den äußeren Ausdruck von Emotionen und möglicherweise das subjektive Erleben von Emotionen verringern, ist jedoch langfristig wenig wirksam, um Emotionen und physiologische Erregung zu reduzieren, da diese noch immer im Körper bestehen bleiben4. Die negativen Effekte zeigen sich hier jedoch stärker in westlichen als in östlichen Kulturen.
Die innere Vermeidung von Gefühlen (z.B. Negative Emotionen kommen bei mir gar nicht erst hoch.) ist langfristig ebenfalls nicht hilfreich, da sie paradoxerweise negative Gedanken und damit verbundene Emotionen verstärkt9. Ähnliches gilt für die regelmäßige Vermeidung gefühlsauslösender Situationen. Zudem hindert Vermeidung das Ergreifen von notwendigen Maßnahmen zur Problemlösung oder zur hilfreichen Emotionsregulation10.
Grübeln beschreibt das wiederholte Konzentrieren auf bestimmte Erfahrungen sowie die damit in Verbindung stehenden Emotionen, deren Ursachen und Folgen11. Häufig grübeln Menschen mit der Absicht, ihre Probleme verstehen und lösen zu wollen (z.B. Was hätte ich anders machen können?). Dennoch steht Grübeln in einem negativen Zusammenhang mit Problemlösung und beeinträchtigt diese eher, da die Gedanken sich meist im Kreis drehen und nicht zielgeleitet sind12.
Arbeitsanforderungen: Emotionale Dissonanz überwinden
Kommt es zu einem Widerspruch von gezeigten und den eigenen, tatsächlich gefühlten Emotionen, spricht man von emotionaler Dissonanz. Die Bestrebung diese zu steuern, indem eigene Gefühle durch Mimik, Stimme oder Gestik so adaptiert werden, dass das (z.B. im Arbeitskontext) erforderliche Gefühl zum Ausdruck kommt, wird als Emotionsarbeit bezeichnet13. Emotionsarbeit ist Bestandteil von vielen Dienstleistungs-berufen, in denen es bestimmte Darstellungsregeln für Emotionen gibt wie zum Beispiel Freundlichkeit gegenüber Kund*innen oder Klient*innen14. Hierbei gibt es zwei Arten von Strategien, mit einer entstandenen emotionalen Dissonanz umzugehen. Surface Acting beinhaltet das oberflächliche Verändern eines Gefühlsausdrucks, ohne dabei die tatsächlichen Gefühle zu ändern. So werden die sichtbaren Anteile einer Emotion in Einklang mit Darstellungsregeln gebracht. Diese Strategie ist häufig nicht erfolgreich, um emotionale Dissonanz zu reduzieren und steht in Verbindung mit Burnout, Arbeitsunzufriedenheit und psychosomatischen Beschwerden15,16. Demgegenüber steht das Deep Acting, welches als Tiefenhandeln die Veränderung der Gefühlsempfindung durch Gefühle im Inneren erzeugt. Es wird versucht, tatsächlich zu fühlen, was dargestellt werden soll13. Deep Acting kann den Abbau von emotionaler Dissonanz bewirken und so positiv auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Arbeitsleistung wirken16.
Wichtig sind folgende Kontextfaktoren
Aktuellere Studien17,18 weisen ergänzend auf relevante Kontextfaktoren für die Passung der Emotionsregulationsstrategie hin. D.h. je nach
- Kontrollierbarkeit der Situation,
- Anzahl der zu bewältigenden Stressoren,
- Anwesenheit anderer Personen,
- Intensität der zu regulierenden Emotion
- den Zielen der Regulation
sind auch funktionale Strategien in diesen Momenten mehr oder weniger passend.
- Bei akutem Stress (viele Stressoren, intensive Emotionen) sind die meisten Menschen zunächst gar nicht in der Lage die kognitiven Strategien der Neubewertung oder durchdachten Problemlösung anzuwenden19. Stattdessen können Ablenkung durch positive Reize, Beruhigung des Nervensystems durch Atmung, frische Luft, Bewegung etc. sinnvoll sein.
- Zeigt sich die Situation (ggf. mit etwas Abstand) insgesamt als kontrollierbar, scheint die Strategie der Problemlösung am besten zu passen (Neubewertung hat hier geringere Effekte). Ist die Situation nach wie vor kaum kontrollierbar, zeigt sich an dieser Stelle wiederum die positive Wirkung der Strategie Neubewertung20.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass emotionale Dissonanz und nicht-funktionale Strategien die Gesundheit langfristig beeinträchtigen und funktionale Strategien sowie Achtsamkeit positive Auswirkungen auf die Gesundheit zeigen. Die Wirksamkeit der funktionalen Strategien hängt dabei von verschiedenen Kontextfaktoren ab.
Quellen:
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