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Burnout vermeiden – Die Balance zwischen Leistung und Gesundheit

„Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ – Arthur Schopenhauer

Burnout ist ein Thema, das in unserer leistungsorientierten Gesellschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt. Der permanente Druck, sowohl beruflich als auch privat immer 100% zu geben, kann uns körperlich und psychisch erschöpfen. Aber was genau ist Burnout, wie entsteht es, und was können wir sowohl auf Unternehmensebene als auch individuell tun, um es zu vermeiden?

A. Giehrl

Was ist Burnout?

Burnout, das vom englischen Begriff „burn out“ abgeleitet wird und „ausbrennen“ bedeutet, beschreibt einen Zustand völliger Erschöpfung – sowohl emotional als auch körperlich. Diese Erschöpfung geht oft mit dem Gefühl einher, sich nicht mehr erholen zu können1. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Burnout in der aktuellen Version des ICD-11, der internationalen Klassifikation der Krankheiten, als berufliches Phänomen („occupational phenomenon”) klassifiziert und kann bei einer Diagnosestellung ergänzend kodiert werden. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine eigene medizinische Diagnose. Burnout kann demnach als Zustand verstanden werden, der aus chronischem Stress am Arbeitsplatz resultiert, der nicht erfolgreich bewältigt werden konnte2. Obwohl es keine eigenständige medizinische Diagnose darstellt, wird Burnout von Expert*innen als ernstzunehmender Zustand gesehen, der oft schwerwiegende Folgen für die physische und psychische Gesundheit haben kann. Betroffene fühlen sich zunehmend entkräftet, überfordert und verlieren die Fähigkeit, Stress effektiv zu bewältigen1.

Die Beziehung zwischen Burnout und Depression ist komplex und bleibt Gegenstand intensiver Forschung3. Burnout wird als Prozess betrachtet, in dem anhaltender arbeitsbedingter Stress die psychischen Ressourcen von Arbeitenden erschöpft4. Demgegenüber entstehen Depressionen häufig als Reaktion auf akute oder chronische Belastungen in mehreren Lebensbereichen und beruhen auf einem multifaktoriellen Ursprung, beeinflusst durch genetische Faktoren, Umweltbedingungen und persönliche Erfahrungen5,6. Hierbei können die Arbeitsbedingungen als relevanter Umweltfaktor zur Entstehung von Depressionen beitragen7. Während einige Forscher Burnout als eine atypische Form der Depression einordnen8, sprechen sich andere für eine klare Differenzierung der beiden Phänomene aus9. Festzuhalten ist in jedem Fall, dass sich die Symptome von Burnout und Depression überschneiden, häufig gemeinsam auftreten und sich wechselseitig entwickeln können7. Burnout ist zudem immer arbeitsbezogen.

Ursachen: Wann entsteht Burnout?

Das Entstehen eines Burnouts wird häufig durch ganz bestimmte Arbeitsbedingungen beeinflusst. Darunter zählen unter anderem:

  • mangelnde soziale Unterstützung
    fehlende Unterstützung durch Kolleg*innen und Vorgesetzte kann ein Gefühl der Isolation entstehen lassen
  • geringe Handlungsspielräume
    wenig Entscheidungsfreiheit und Autonomie bei der Arbeit führen dazu, dass sich Mitarbeitende eingeschränkt fühlen
  • hohe zeitliche Belastung
    dauerhafter Zeitdruck und Überstunden führen zu chronischem Stresserleben
  • hohe Arbeitsanforderungen
    übermäßige Anforderungen ohne ausreichende Ressourcen belasten Mitarbeitende langfristig
  • organisationale Ungerechtigkeit 
    ungerechte Entscheidungen oder unfaire Arbeitsbedingungen verschärfen das Gefühl von Hilflosigkeit.10,11

In vielen Fällen sind diese Faktoren nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern wirken in Kombination. Ein erschöpfendes Arbeitsumfeld, gepaart mit dem individuellen Drang, stets perfekt und leistungsstark zu sein, erhöht das Risiko für Burnout erheblich.

Symptome: Wie zeigt sich Burnout?

Burnout geht mit einem stetigen Verlust an innerer Energie einher, der sich über die Zeit in verschiedenen Bereichen des Lebens bemerkbar machen kann. Die Symptome von Burnout sind vielseitig und oft individuell sehr unterschiedlich. Laut Schaufeli und Enzmann (1998) lassen sich die Symptome in fünf verschiedene Bereiche einteilen, die sich auf den Affekt (Anspannungen/Emotionen), das Verhalten, die Motivation, den körperlichen Zustand und die Kognition beziehen können12:


Verlauf: Die Phasen von Burnout 

Es gibt verschiedene Modelle, um den Verlauf von Burnout zu erklären, doch die meisten stimmen in einem zentralen Punkt überein: Burnout entwickelt sich schleichend. Der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger gilt als Pionier der Burnout-Forschung, in dem er den Begriff Burnout in den 1970er Jahren erstmals in die Fachliteratur einführte. Freudenberger beschreibt zwölf Phasen, die von der anfänglichen Begeisterung und dem Ehrgeiz bis hin zur völligen Erschöpfung und dem emotionalen Zusammenbruch reichen13.

Dieser Prozess beginnt oft mit hohen Erwartungen an sich selbst, die über längere Zeit nicht erfüllt werden. Enttäuschung, Frustration und schließlich der Rückzug aus sozialen und beruflichen Verpflichtungen kennzeichnen den schleichenden Übergang in den Zustand des „Ausgebranntseins“13.

Abbildung nach Freudenberger & North (1992)

Die Erfassung von Burnout

Zur Erfassung von Burnout bestehen eine Vielzahl validierter Messinstrumente. Eines der aktuellsten Verfahren findet sich bei Schaufeli und Kolleg*innen (2020) mit dem Burnout Assessment Tool (BAT). Dieses bietet eine fundierte Möglichkeit, Burnout zu diagnostizieren, indem es vier zentrale Dimensionen von Burnout erfasst:

  1. Erschöpfung
    beschreibt, wie oft Sie sich in Ihrer Arbeit körperlich oder psychisch erschöpft, d.h. energielos fühlen und ob es Ihnen schwerfällt, sich zu erholen.
  2. Emotionale Beeinträchtigung
    beschreibt, wie oft Sie in der Arbeit das Gefühl haben, übermäßig gereizt oder ungewohnt emotional zu reagieren.
  3. Kognitive Beeinträchtigung
    beschreibt, wie oft Sie in der Arbeit Aufmerksamkeits-, Konzentrations- oder Gedächtnisprobleme bei sich feststellen.
  4. Psychische Distanz
    beschreibt, wie oft Sie keine Lust / Motivation für Ihre Arbeit empfinden und sie als potenziell sinnlos ansehen.14

Gesundheitsrisiken: Warum Burnout ernst genommen werden muss

Ein unbehandelter Burnout kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Neben der dauerhaften Erschöpfung können auch ernsthafte Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Im schlimmsten Fall kann Burnout zu einem vollständigen körperlichen, geistigen und emotionalen Zusammenbruch führen.1 Daher ist es wichtig, bereits bei Verdacht auf Burnout professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Frühzeitige Interventionen, wie z. B. psychologische Beratung oder eine Veränderung der Arbeitsumstände, können helfen, die Folgen abzumildern und wieder zu mehr Lebensqualität zu gelangen.  Die Stärkung der Resilienz oder der Aufbau eines unterstützenden Netzwerks können helfen, Burnout vorzubeugen oder frühzeitig gegenzusteuern. Wer bereits Anzeichen von Burnout zeigt, sollte unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Therapeutische Interventionen oder eine zeitweise Auszeit von der Arbeit können hier entscheidend sein.

Prävention auf Unternehmensebene: Was können Arbeitgeber*innen tun?

Unternehmen haben eine Schlüsselrolle dabei, das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass chronischer Stress und Überlastung vermieden werden. Es gibt einige Möglichkeiten, die innerhalb von Unternehmen etabliert werden können:

  • Förderung von Pausen und Erholungszeiten: regelmäßige Pausen und Erholungszeiten sollten von Führungskräften aktiv gefördert werden. Es zeigt sich, dass Ruhepausen einen Schutz vor Burnout bieten15.
  • Flexible Arbeitsmodelle: Flexible Arbeitszeitmodelle oder die Möglichkeit zum Homeoffice können eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen. Dadurch können Mitarbeitende ihre Arbeit an ihre individuellen Lebensumstände anpassen und so Stress reduzieren16.
  • Fairness: Eine offene und faire Unternehmenskultur, in der Mitarbeitende klare Informationen erhalten und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, kann das Gefühl von Kontrolle und Wertschätzung fördern17.
  • Soziale Unterstützung: Unterstützung durch Kolleg*innen und Vorgesetzte kann eine wesentliche Rolle bei der Prävention von Burnout spielen18

Durch diese und weitere Maßnahmen können Unternehmen nicht nur die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden fördern, sondern auch langfristig produktiv und zufrieden arbeiten.

Prävention auf individueller Ebene: Was kann jede*r Einzelne für sich tun?

Neben den Maßnahmen auf Unternehmensebene gibt es auch individuelle Strategien, um Burnout vorzubeugen. Diese Selbstfürsorge kann langfristig dabei helfen, widerstandsfähiger gegen Stress zu werden:

  • 1. Schritt: Selbstreflexion – Wie geht es mir? Was sagt mein Körper? Was brauche ich?
  • Gesunde Work-Life-Balance: Eine klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben ist hilfreich, um genügend Zeit für Erholung und Regeneration zu schaffen. Dazu gehört auch, nach der Arbeit bewusst abzuschalten – beispielsweise durch regelmäßige Freizeitaktivitäten oder Zeit mit Freund*innen und Familie.
  • Resilienzförderung: Resilienz, also die Fähigkeit, mit Stress und Rückschlägen umzugehen, kann gezielt gestärkt und geübt werden. Coaching oder Resilienztrainings helfen, den Umgang mit schwierigen Situationen zu verbessern und darüber hinaus leistungsfähiger zu sein19.
  • Zeitmanagement und Pausen: Die Arbeit effizient zu organisieren und regelmäßig Pausen einzulegen, ist ein effektiver Weg, um Überlastung zu vermeiden15.
  • Soziale Unterstützung suchen: Der Austausch mit Kolleg*innen, Freund*innen oder der Familie ist essenziell, um Gefühle der Isolation zu vermeiden. Wer regelmäßig über seine Belastungen spricht, ggf. auch mit Expert*innen, kann frühzeitig Unterstützung bekommen.

Diese Maßnahmen stellen einen ersten Überblick dar, durch diese Einzelpersonen ihre Stressresistenz stärken und somit das Risiko eines Burnouts deutlich verringern können.

Fazit: Prävention ist der Schlüssel

Burnout betrifft nicht nur Einzelpersonen, sondern ist ein systemisches Problem unserer modernen Arbeitswelt. Die Forschung zeigt deutlich, dass Burnout schleichend entsteht und oft durch chronischen, nicht bewältigten Stress am Arbeitsplatz verursacht wird6. Umso wichtiger ist es, präventiv tätig zu werden – sowohl auf individueller als auch auf Unternehmensebene.

Für Einzelpersonen gilt: Lernen, sich selbst und die eigenen Grenzen zu kennen, ist essenziell. Der Aufbau von Resilienz, das Pflegen sozialer Kontakte und das bewusste Abschalten von der Arbeit sind wichtige Schritte, um das innere Gleichgewicht zu halten. Arbeitgeber*innen sind aufgefordert, ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen, das Mitarbeitenden genügend Raum für Erholung und Selbstfürsorge bietet. Durch präventive Maßnahmen wie Resilienzprogramme, flexible Arbeitsmodelle und einer fairen, wertschätzenden Unternehmenskultur kann das Risiko von Burnout erheblich gesenkt werden.

Langfristig profitieren Mitarbeitende, Unternehmen und die Gesellschaft von einer Kultur, die Gesundheit und Wohlbefinden in den Mittelpunkt stellt. Denn nur wer gesund ist, kann auch leistungsfähig und motiviert bleiben.


Quellen

  1. Berger, M., Linden, M., Schramm, E., Hillert, A., Voderholzer, U. & Maier, W. (07.03.2012). Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) zum Thema „Burnout“. Verfügbar unter https://www.bgm-ag.ch/files/public/literatur/pdf/burnout-positionspapier.pdf
  2. World Health Organization WHO. (2019). Burn-out an “Occupational Phenomenon”: International Classification of Diseases. Retrieved July 7, 2023, from https://www.who.int/news/item/28-05-2019-burn-out-an-occupational-phenomenon-international-classification-of-diseases
  3. Schaufeli, W. B. & Enzmann, D. (2020). The burnout companion to study and practice: A critical analysis. CRC press.
  4. Maslach, C., Schaufeli, W. B. & Leiter, M. P. (2001). Job burnout.Annual review of psychology52, 397–422. https://doi.org/10.1146/annurev.psych.52.1.397
  5. Hautzinger, M. (2022). Depressionen. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.), Psychotherapie: Praxis. Verhaltenstherapiemanual – Erwachsene (S. 513–518). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62298-8_84
  6. Hidaka, B. H. (2012). Depression as a disease of modernity: explanations for increasing prevalence. Journal of Affective Disorders, 140(3), 205–214. https://doi.org/10.1016/j.jad.2011.12.036
  7. Ahola, K., Hakanen, J., Perhoniemi, R. & Mutanen, P. (2014). Relationship between burnout and depressive symptoms: A study using the person-centred approach. Burnout Research, 1(1), 29–37. https://doi.org/10.1016/j.burn.2014.03.003
  8. Bianchi, R., Schonfeld, I. S. & Laurent, E. (2014). Is burnout a depressive disorder? A reexamination with special focus on atypical depression. International Journal of Stress Management, 21(4), 307–324. https://doi.org/10.1037/a0037906
  9. Koutsimani, P., Montgomery, A. & Georganta, K. (2019). The Relationship Between Burnout, Depression, and Anxiety: A Systematic Review and Meta-Analysis.Frontiers in psychology10, 284. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2019.00284
  10. Glaser, J., & Herbig, B. (2012). Burnout – Folge schlechter Arbeit oder anfälliger Personen? Persönlichkeits­störungen – Theorie und Therapie, 16 (2), 134-142.
  11. Glaser, J. (2012). Prävention von Burnout durch Arbeitsgestaltung. Psychologische Medizin, 23 (4), 26-32.
  12. Schaufeli, W., & Enzmann, D. (1998). The burnout companion to study and practice: A critical analysis. http://dx.doi.org/10.1201/9781003062745.
  13. Freudenberger, H. J. (1974). Staff burn‐ Journal of Social Issues, 30(1), 159-165. https://doi.org/10.1111/j.1540-4560.1974.tb00706.x
  14. Schaufeli, W. B., Desart, S., & De Witte, H. (2020). Burnout Assessment Tool (BAT). Development, Validity, and Reliability. International Journal of Environmental Research and Public Health, 17(24), 9495. https://doi.org/10.3390/ijerph17249495.
  15. Stutting, H. L. (2023). The relationship between rest breaks and professional burnout among nurses. Critical Care Nurse43(6), 48-56. https://doi.org/10.4037/ccn2023177
  16. Shiri, R., Turunen, J., Kausto, J., Leino-Arjas, P., Varje, P., Väänänen, A., & Ervasti, J. (2022). The effect of employee-oriented flexible work on mental health: a systematic review. Healthcare, 10(5), 883. https://doi.org/10.3390/healthcare10050883
  17. Leiter, M. P., & Maslach, C. (2016). Latent burnout profiles: A new approach to understanding the burnout experience. Burnout Research3(4), 89-100. https://doi.org/10.1016/j.burn.2016.09.001
  18. Velando‐Soriano, A., Ortega‐Campos, E., Gómez‐Urquiza, J. L., Ramírez‐Baena, L., De La Fuente, E. I., & Cañadas‐De La Fuente, G. A. (2019). Impact of social support
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  19. Robertson, I. T., Cooper, C. L., Sarkar, M., & Curran, T. (2015). Resilience training in the workplace from 2003 to 2014: A systematic review. Journal of Occupational and Organizational Psychology88(3), 533-562. https://doi.org/10.1111/joop.12120

Abbildung

Freudenberger, H., & North, G. (1992). Burn-out bei Frauen. Über das Gefühl des Ausgebranntseins12.

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